Donnerstag, 7. Dezember 2017

Jörg Wiedemann (DE)

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Interviewpartner: Jörg Wiedemann (48)
Kellermeister Badischer Winzerkeller

Jörg Wiedemann, Kellermeister Badischer Winzerkeller

Nein, zu den jungen Wilden der deutschen Weinszene gehört Jörg Wiedemann aufgrund seines Alters wahrlich nicht mehr. Wer ihn jedoch einmal dabei entdeckt, wie er seiner Leidenschaft für Fahrzeuge auf zwei Rädern frönt, könnte sich schnell an einen jungen Wilden erinnert fühlen.

Schon als Kind war Jörg von Geschwindigkeit fasziniert. So wäre er liebend gern Pilot geworden, aber diesen Traum konnte er sich nicht erfüllen. Und es mag nun hart klingen, aber vielen Weinfreunden ist es ganz recht, dass auch aus seinem zweiten Berufswunsch – Konstrukteur von Maschinen – nichts wurde.

Obwohl, im gewissen Sinne konstruiert er auch heute. Allerdings nicht Maschinen, sondern Wein. Als Kellermeister des Badischen Winzerkellers verfolgt er mit Leidenschaft das Ziel, in jeder einzelnen Flasche den jeweiligen Ursprungsort der Trauben einzufangen.

Stefanie Langenbacher und Jörg Wiedemann
Der Badische Winzerkeller wurde 1952 als Zentralkellerei Kaiserstühler Winzergenossenschaften gegründet. Bis heute steht das Unternehmen unter dem Slogan „Die Sonnenwinzer“ für Weinvielfalt aus einer Erzeugerhand. Gemeinsam mit seinen Kollegen kreiert Jörg jährlich über 500 verschiedene Weine. Das ist eine imposante Größenordnung. Bei einer derart großen Bandbreite liegt es in der Natur der Sache, dass nicht jeder dieser Weine jedem stets gleich gut gefällt.

Wer Jörg nach seinem Privatleben fragt, erhält als Antwort, dass er in seiner Heimat am Kaiserstuhl tief verwurzelt ist und sich so gar nicht vorstellen kann, in einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort zu leben. Als bodenständigem Menschen ist ihm seine Familie enorm wichtig, da sie ihm den nötigen Rückhalt und Geborgenheit bietet. So entspannt er nach einem langen Tag liebend gern - mitten in den Reben - mit einem Glas Rotwein beim Sonnenuntergang. Das klingt alles arg idyllisch, vielleicht sogar ein wenig spießig. Geht es nur mir so, oder möchtest Du auch gern hinter die Kulissen dieser beschriebenen Idylle blicken?

Intensiv leben, das ist seine wahre Leidenschaft. Dazu ein solider Hard Rock als Hintergrundmusik und der bekennende Schokoholic dreht so richtig auf. Wer ihn in solchen Momenten fragt, welche drei Dinge ihn auf eine einsame Insel begleiten könnten, wird von ihm nicht hören, dass es seine Familie sei. Stattdessen antwortete er: „Wenn ich das nur wüsste ... In jedem Fall einen guten Schluck Wein als Lebenselixier." Nur gut, dass er sich nicht für Bier entschieden hat. 😏

Umso spannender war es nun für mich, von Jörg zu erfahren, wie er als Kellermeister eines Verbunds von Winzergenossenschaften über Wein im Allgemeinen und über Wein aus seinem Unternehmen denkt.


Wie wurdest Du Winzer/Weinmacher? 
Durch den elterlichen Betrieb – ich bin mitten in den Reben aufgewachsen. 

Wofür stehst Du als Kellermeister? 
Für mich ist der Respekt vor der Natur besonders wichtig. Mein Ziel ist, das umzusetzen, was uns die Natur an Früchten bringt und die Natur so auch im Wein darzustellen. 

Was ist Deine Passion oder tägliche Triebfeder für die Arbeit? 
Die Freude am Naturprodukt. 

Was gefällt Dir an Deiner Arbeit am besten? 
Die Verbindung von Menschen, Natur und Technik. Und die große Bandbreite: von Wetterkapriolen über den Weinanbau bis hin zur Vermarktung. Welcher Beruf sonst kann das bieten? 

Wie werden Eure Rebflächen bearbeitet (konventionell, biologisch, biodynamisch)? 
Die Sonnenwinzer des Badischen Winzerkellers bewirtschaften gemeinsam 1.741 Hektar aus neun Anbaugebieten Badens. Unsere Flächen werden insbesondere konventionell bearbeitet, aber auch zunehmend biologisch. Mit über 30 Hektar zählen wir zu den größten Bioerzeugern Deutschlands. Einzelne Winzer bearbeiten ihre Rebflächen auch biodynamisch.

Die Kellermeister des Badischen Winzerkellers haben in diesem Jahr erneut (zum zweiten Mal in Folge) den Ehrenpreis des Badischen Weinbauverbands erhalten.


Wie beschreibst Du den Entwicklungsprozess Deiner Arbeit und Weine? 
Die Konstellation einer Genossenschaft macht unseren Entwicklungsprozess besonders spannend: Am Anfang steht die Denkweise des Winzers, der die Pflanze hegt und pflegt. Für uns Kellermeister gilt, genau diese Denkweise im Keller bis zur Flasche fortzuführen. Wir stehen für eine naturnahe Kellerwirtschaft – und aus diesem Grund auch stets in engem Kontakt mit den Winzern. 

Welchen Stil der Weinbereitung bevorzugst Du? 
Den naturnahen Stil. Mein Motto ist „aktives Nichtstun“: Weine werden dann am besten, wenn man während des Ausbaus am wenigsten tun muss. Wir wollen nicht mehr machen, als die Natur selbst. Unsere Aufgabe ist es, den natürlichen Reifeprozess zu beobachten und zu steuern.

Welche anderen Weine magst Du (Anbaugebiet/e, Winzer)? 
In Deutschland mag ich insbesondere die Mosel und den Riesling, im Burgund den Chardon­nay oder den Merlot im Napa Valley.

Welche Art Wein möchtest Du gerne einmal herstellen (Rebsorte, Weinstil ...)? 
Als Fan von starken Rotweinen wäre ich gerne einmal im Bereich von schweren Bordeaux-Weinen tätig.

Jörg Wiedemann und Ottmar Ruf

Was ist das besondere Alleinstellungsmerkmal der Weine des Badischen Winzerkellers? 
Die Besonderheit beim Badischen Winzerkeller ist unsere Vielfalt. Wo sonst hat man als Kel­lermeister die Möglichkeit, so viele verschiedene Herkünfte auszubauen? Bei den Sonnen­winzern haben wir Lagen für Spätburgunder, Riesling oder Müller-Thurgau, wir haben Lagen, die höher liegen oder nördlicher sind. Ich bin fasziniert von dieser Bandbreite und Verschie­denheit. Dazu kommt natürlich die Sonne: Unsere Trauben reifen im südlichsten und sonnigsten Weinanbaugebiet Deutschlands heran. Wir bringen Sonne ins Glas! 

Wo siehst Du den Badischen Winzerkeller und dessen Weine in der Zukunft? 
Unsere Weine sollen Spaß machen. Wir wollen den Weinfreunden Spaß an der Natur und am Kulturgut Wein bieten. 

Hand aufs Herz – wenn Du ein anderes Weingut Dein Eigen nennen könntest, welches wäre es? 
Das Romanée-Conti im Burgund. (Was noch nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht meldet sich das Weingut nach dem Lesen Deiner Story. 😏) 

Was ist für Dich an der deutschen Weinszene am interessantesten? 
Die Charaktere der verschiedenen Regionen, Lagen und Menschen: von der Ahr bis zu uns nach Baden in den sonnigen Süden. 

Wie siehst Du den deutschen Wein im internationalen Vergleich? 
Der deutsche Wein ist frisch, fruchtig und jugendlich. Blicken wir nur zu unseren Nachbarn, ins Elsass, herrscht hier eine ganz andere Denkweise. 

Wie bewertest Du das Renommee der deutschen Weine in Deutschland? 
Aus fachlicher Sicht wird der deutsche Wein in Deutschland glasklar unterschätzt. 

Welcher Wein hat Dich zuletzt positiv oder negativ überrascht – und warum? 
Positiv überrascht war ich zuletzt von unserem Eiswein, ein Hecklinger Schloßberg. Da es lange Zeit nicht kalt genug war, hatten wir die Hoffnung auf die Ernte schon aufgegeben. Doch tatsächlich erreichte der Wein nun eine Top 10 Prämierung beim Badischen Weinbauverband. Darüber freuen wir uns natürlich sehr. 

Welcher Trend in der nationalen / internationalen Weinwelt ruft bei Dir nur Kopfschütteln hervor? Die Spinning Cone Column. Doch ich bin froh, dass der Trend, Weine chemisch weiter voranzubringen, nun schon fast wieder vorbei ist. Ich bin sicher: Wein lässt sich nur mit der Natur gut machen. 

Wie stehst Du den Trends Natural Wines und Orange Wines gegenüber? 
Für mich sind das Spielwiesen, die entstanden sind, um die Bandbreite von Wein noch weiter auszudehnen. Ich finde diese Trends gut, bin aber sicher, dass diese Weine von der Menge nicht angenommen und nicht allzu viel getrunken werden. Sie bleiben eher ein Aha-Erlebnis oder ein sensorisches Abenteuer.

Skizziere bitte ein besonderes Weinerlebnis (besondere Momente mit Kunden, im Weinberg, im Weinkeller, in der Familie oder, oder, oder ...) 
Vor etwa zehn Jahren hatte ich die Möglichkeit, bei einer Chardonnay-Archivweinprobe in einem der besten Keller im Burgund teilzunehmen. Ich war beeindruckt, wie sich die Weine halten und nach so langer Zeit darstellen. 

Was wolltest Du schon immer mal über Wein im Allgemeinen sagen? 
Erst schaff’ dein’ Sach, dann trink’ und lach! (Holzfassspruch)


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